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Fit for practice
Viele junge diplomierte Pflegefachpersonen steigen aufgrund der Realität in der Pflegepraxis nur wenige Jahre nach Ausbildungsabschluss aus ihrem Beruf aus. «Fit for practice», eine Studie der Hochschule für Gesundheit Freiburg (HEdS-FR), beschäftigt sich mit den Erwartungen der Studierenden aus der ganzen Schweiz an ihre berufliche Zukunft. Zudem untersucht sie das Erleben ein Jahr nach dem Berufseinstieg. Es ist wichtig, diese Diskrepanz zwischen beruflichen Erwartungen und der Realität in der Praxis zu verstehen, um anschliessend gezielte Massnahmen gegen den Fachkräftemangel entwickeln zu können.
Als einzige Pflegeausbildungsstätte des Kantons Freiburg hat die HEdS-FR den Auftrag, Fachkräfte auszubilden, welche die Herausforderungen des kantonalen Gesundheitssystems bewältigen können. Ihr Projekt «Fit for practice» dient dazu, den kantonalen Gesundheitsbehörden relevante Informationen zur nationalen Situation zu liefern, um Massnahmen gegen die Personalengpässe zu ergreifen.
Ziel ist das Erkennen von Schwierigkeiten beim Übergang vom Studium zur klinischen Praxis. Frisch diplomierte Pflegefachpersonen müssen über das notwendige Know-how verfügen, um die Herausforderungen in Bezug auf die Zunahme von chronischen Krankheiten sowie akute Gesundheitskrisen wie Pandemien zu bewältigen. Schliesslich geht es darum, frühzeitige Berufsaustritte in der Pflege zu verhindern und den Verbleib der Pflegefachpersonen im Gesundheitssystem zu erreichen.
«Fit for practice» analysiert die Erwartungen von Pflegestudierenden im letzten Ausbildungsjahr sowie ihre berufliche Situation ein Jahr nach dem Eintritt in den Arbeitsmarkt. Der Vergleich dieser zwei Phasen bringt neue Erkenntnisse zum Unterschied zwischen den beruflichen Erwartungen und der Realität in der Praxis. Vor diesem Hintergrund führten die Forscherinnen und Forscher der HEdS-FR eine Sekundäranalyse von Daten über Studierende aus einer national koordinierten Befragung von Hochschulabsolventinnen und -absolventen (Nat-ABBE) durch.
Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die Diskrepanz zwischen Erwartungen und Realität. So wurden ein Jahr nach dem Berufseinstieg keine Erwartungen der Studierenden erfüllt oder übertroffen und jede fünfte Pflegefachperson gab explizit an, mit ihrer Arbeitssituation unzufrieden zu sein.
In erster Linie möchten die Pflegestudierenden einer sinnvollen Arbeit nachgehen, genügend Zeit für die Patientinnen und Patienten haben und über Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung verfügen. Gemäss den Ergebnissen arbeiten die Diplomierten in guten Teams, haben das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, und sind relativ selbstständig. Wie eine Analyse der Diskrepanz zwischen den Erwartungen und der Realität zeigt, liegen die grössten Defizite im Zeitmangel bei der Pflege- und Betreuungsarbeit, der schwierigen Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie in der Personalführung.
Beim Vergleich dieser Resultate mit der Zufriedenheit der Pflegefachkräfte in «Magnetspitälern» fallen drei wesentliche Unterschiede auf: Erstens unterscheiden sich Magnetspitäler durch ihre Organisations- und Führungskultur von anderen Spitälern. Zweitens gibt es Unterschiede im Umgang mit dem Pflegepersonal und drittens ist die Kluft zwischen Theorie und Praxis geringer. Die Machbarkeit einer Übertragung der in Magnetspitälern gemachten Erfahrungen auf die Gesundheitseinrichtungen des Kantons Freiburg sollte auf politischer Ebene diskutiert werden.